Eine Flugschrift zum Artikel „Soll die Rheinstraße in Worms Tempo-30-Zone werden?“ sowie dem zugehörigen Kommentar „Unsäglich“ von Johannes Götzen in der Wormser Zeitung vom 19.01.2024*
Sehr deutlich hat Dr. Klaus Karlin (CDU) bei seiner Rede anlässlich des Neujahrsempfangs der CDU in Herrnsheim am 11.01.2024 gesagt, dass Worms keine Spalter gebrauchen kann. Er hat Recht. Ich denke, um das Beste für Worms hervorzubringen, brauchen wir die Kraft, in Konflikten zu moderieren, über Meinungsverschiedenheiten hinweg zu gemeinsam tragenden Lösungen zu finden und – vor allem – unsere Mitbürger durch unser Handeln zu überzeugen. Das ist mein Anspruch an Bürgermeister*innen. Die Gestaltung eines lebenswerten urbanen Raums, der das Wir stärkt, das wäre ein würdiges Ziel. Vor allem, wenn man zufällig gerade Bürgermeister*in ist.
Wer wissen möchte, wie sich Ohnmacht anfühlt und wie die aktuelle Verwaltungsspitze der Stadt es schafft, das Verhältnis zwischen Staat und Bürgerschaft zu spalten, der sollte nicht nur diesen ungünstigen Artikel und Kommentar von Herrn Götzen lesen, sondern auch die vorangegangene Korrespondenz zwischen „dem Ehepaar aus der Bärengasse“ und der Stadt sowie insbesondere den belehrenden Brief voller Drohungen von Stephanie Lohr (CDU) an die „Eheleute“. Ich denke, nicht nur die Mitglieder der „Bürgerinitiative Altstadt Worms“ werden bei der Lektüre ein Déjà-Vu haben.
Ich schreibe gleich der Reihe nach und wiederhole auch nochmals die bekannten Vorschläge, wie es besser gehen wird. Eines aber vorweg: Hier läuft gerade ganz offensichtlich ein unsäglicher Manipulationsversuch der Stadtobrigkeit gegen Mitbürger*innen, einschließlich einer mutmaßlichen Ausnutzung des Journalisten Johannes Götzen!
Hier wird von der Stadtverwaltung und Stephanie Lohr aufs massivste von der eigentlichen Sache abgelenkt, nämlich dem fortgesetzten Nicht-Handeln der Verwaltung und ihrer politischen Beamt*innen. Was Stephanie Lohr (CDU) in Vertretung von Adolf Kessel (CDU) hier treibt, hat nichts mit Beteiligung und demokratischen Vorstellungen zu tun, sondern ganz allein mit der Vorstellung, Macht zu besitzen und Macht auszuüben, ohne sich vor irgend jemandem rechtfertigen zu müssen oder es mit irgendjemandem zu tun zu bekommen, der den Mut aufbringt zu widersprechen. Gleichzeitig wird per Brief und offenkundig mit Unterstützung der Pressestelle der Stadt Gaslighting betrieben, dass heißt die gezielte Verunsicherung von Bürger*innen in ihrem Realitäts- und Selbstbewusstsein.
Sowas gehört sich nicht für Bürgermeister*innen.
Worum geht es? Am 14.11. schreibt ein Bürger an das Ordnungsamt und die zuständige Dezernentin, eben jener Frau Lohr, eine Email, in der er darauf hinweist, dass in der Rheinstraße offenkundig geltendes Recht nicht umgesetzt wird. Konkret geht es um die Durchsetzung des Parkverbots im verkehrsberuhigten Bereich Rheinstraße. Im Schreiben genannt: Rechtsgrundlage und Präzedenzurteil des OVG Münster nebst Aktenzeichen. Es geschieht: nichts. Sechs Wochen später fragt der Bürger dann nochmals per Email nach. Keine Reaktion.
Am 05.01. dann schreibt der Bürger wieder. In einem Telefonat seiner Frau habe ein Mitarbeiter der Verwaltung eröffnet, man wäge die prinzipielle Möglichkeit, die Verkehrsberuhigung aufzuheben und lediglich Tempo 30 zu verhängen, weil man die Verkehrsberuhigung nicht durchsetzen könne. Da ich die Leute kenne, glaube ich keine Sekunde, dass sie sich den Inhalt dieses Gesprächs ausgedacht haben.
Aus ganz anderem Anlass, nämlich aufgrund der wiederholten Schnellfahrten in der Bärengasse, postet dieselbe Bürgerin ein Foto von der Bärengasse bei Facebook. Dies ebenfalls am 5.1. Darauf zu sehen die von Mülltonnen (Papier und Restmüll) zugestellte Bärengasse. Es entspinnt sich dort eine Diskussion mit über 25 Kommentaren, getragen von rund einem Dutzend Freunden und Bekannten. In einem dieser Kommentare spekuliert der Ehemann der Bürgerin, wie es denn zu erklären sein könne, dass die Stadtverwaltung überhaupt nichts unternimmt. Seine offenkundige Übertreibung: Wenn die Stadtverwaltung hier genau so viel politischen Gegenwind erwarten müsste, wie in einem dieser adretten Vororte, wäre hier längst etwas geschehen.
Dieses Argument, Herr Götzen, ist alles andere als unsäglich.
Es ist einer Überprüfung würdig. Es sei hier auf die Definitionen und Problembeschreibungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hingewiesen. Zum Zeitpunkt des aktuellsten Datenstands von 2019 haben in Abenheim ca. 85% der ca. 2500 Bürger*innen keinen Migrationshintergrund. Gleichzeitig gehen dort 67% zur Kommunalwahl, stellen zwei Sitze im Stadrat und eine Ordnungsdezernentin (nämlich Frau Lohr) , haben einen bezahlten Ortsvorsteher und einen zwölfköpfigen Ortsbeirat. Im Wormser Stadtzentrum, statistische Bezirke 0101-0106, haben nur ca. 45% der ca. 10000 Bürger*innen keinen Migrationshintergrund, gehen nur 34% zur Kommunalwahl, haben keinen bezahlten Ortsvorsteher und mit dem Innenstadtausschuss ein Gremium ohne zu diesem Zweck von den Bürger*innen gewählten Vertretern aus allen möglichen Stadtteilen, der übrigens ausgerechnet von dem „Mädsche aus Abenheim“ geleitet wird, wie Frau Lohr sich zuweilen selbst öffentlich bezeichnet. Könnte es sein, Herr Götzen, dass wir es hier vielleicht doch mit einer Form struktureller Diskriminierung zu tun haben?
Vom Innenstadtausschuss wird noch zu reden sein.
Aber vorher eine Sache: Ich habe mein Büro im Erdgeschoss meines Hauses in der Bärengasse. Ich verbringe hier viel Zeit. Ich fahre zudem Auto. Wenn ich sage, dass in der Bärengasse manches Mal sehr schnell, viel zu schnell gefahren wird, dann dürfen Sie mir das glauben. Ich brauche keinen „ortskundigen Polizisten“ und auch keine Verkehrszählung, um erkennen zu können, dass vor meinem Fenster kein Kind Fahrrad fährt und keines Ball spielt, weil jeder denkende Elternteil diese Straße für lebensgefährlich hält. Warum der Oberbürgermeister, der meines Wissens gegenüber seinen Mitarbeiter*innen der Verkehrsbehörde als unterer Landesbehörde weisungsbefugt ist, nicht von seiner Gestaltungsmacht Gebrauch macht, auch keine einzige der gut und gerne zwanzig aufgezeigten möglichen Maßnahmen umzusetzen, bleibt allein das Geheimnis des Oberbürgermeisters, seiner Dezernent*innen und Fachbeamt*innen.
Darum dreht sich auch die Diskussion bei Facebook.
Nun spekulieren also Bürger*innen bei Facebook, ob der politische Druck zu handeln, womöglich aufgrund der Sozialstruktur der Innenstadt weniger hoch ist, als in einem der Wormser Vororte.
Was tut Frau Lohr? Sie schreibt elf Tage später in belehrendem Ton einen unsäglichen Drohbrief an die „Eheleute“, in dem sie allein mit einem unspezifischen Verweis auf einen „Chat bei Facebook“ den Schluss zieht, das „Ehepaar“ mache sich „falscher“, „herabwürdigender“ und „beleidigender“ Darstellungen „des Sachverhalts und der handelnden Akteure“ schuldig bis hin zu Verletzung des Persönlichkeitsrechts aller Personen in der Stadtverwaltung, ja sogar bis zur „Schwelle der Strafbarkeit“.
Jemand, dem das Wir und die Einheit der Wormser*innen am Herzen liegt, sollte so etwas nicht tun. Es ist nicht nur unwürdig. Es hat sich auch nicht so zugetragen. Denn die von Frau Lohr gemeinten zwei der insgesamt 25 Kommentare geben das gar nicht her, was sie hier hinein lesen will. Zudem Frau Lohr, frage nicht nur ich mich, wie Sie den Familienstand der beiden Bürger*innen in Erfahrung gebracht haben und auch, wie es dieses personenbezogene Datum ohne Einverständnis der Personen in die Presse geschafft hat.
In ihrem Brief fällt Frau Lohr richtigerweise auf, dass „die Verwaltung als Organisation diskreditiert“ werden könnte, sich „das Verhältnis zwischen Staat und Bürgerschaft zu spalten“ droht und man „Vertrauen zu zerstören“ vermeiden müsse.
Was Frau Lohr überhaupt nicht aufzufallen scheint, ist, dass sich die Stadtverwaltung dieses Grab durch jahrelanges Verzögern und tägliches Nicht-Handeln bereits selbst geschaufelt hat. Ihr entgeht vollkommen, warum genau ihre Befürchtungen nicht durch das Handeln der Bürger*innen verursacht wird, sondern durch das symptomatische und konkrete Nicht-Handeln der Verwaltung.
Mit keiner Silbe nämlich geht Frau Lohr auf einen irgend gearteten Plan ein, die Verkehrsberuhigung in der Altstadt voran zu treiben oder sich der Durchsetzung des geltenden Rechts in der verkehrsberuhigten Rheinstraße anzunehmen.
Nicht nur, dass sie hier konkret zwei Bürger*innen klein zu machen versucht, wie wir das bereits schon einmal erlebt haben (siehe unten), sie spricht überdies auch noch uns allen jedes Mitspracherecht ab. Denn, wie Frau Lohr formuliert, „die Entscheidungen der Straßenverkehrsbehörde basieren auf den gesetzlichen Regelwerken […] im Auftrag der Landesregierung“ und seien „frei von den Weisungen der kommunalpolitischen Gremien“.
Das ist allerdings sachlich falsch. So gesehen nämlich gäbe es in der Ausgestaltung innerstädtischer Verkehrsräume als öffentlicher Orte überhaupt keine Spielräume. Dass dies nicht der Fall ist, dafür gibt es in Worms viele Beispiele. Und die finden sich meist in Stadtteilen, die, nun ja, anders sind, als die Innenstadt.
Das bringt mich zurück zum Innenstadtausschuss.
Für den 18. April 2023 hat Frau Lohr zu einer besonderen Sitzung des Innenstadtausschusses eingeladen. An vier Stellwänden konnten Bürger*innen Hinweise, Eingaben und Vorschläge zu allen Fragen rund um Verkehr, Ordnung, Sicherheit, Müllentsorgung uvm. machen. Davon erhalten hat sich nichts. Denn Frau Lohr hat es nicht für nötig befunden, die an den Stellwänden eingebrachten Eingaben der Bürger zu dokumentieren, wie eine Anfrage bei Frag-den-Staat belegt. Die detailreichen Diskussionen an den Stellwänden kulminierten lediglich in kurzen und gänzlich unvollständigen Ad-hoc-Resumées anwesender Verwaltungsmitarbeiter*innen, die in wenigen Zeilen ins Protokoll der Sitzung eingeflossen sind. Mehr nicht. Bei der auf den 18. April folgenden Ortsbegehung mit Mitarbeiter*innen der Verwaltung dann im November volle sechs Monate später wirkte der Tross von Frau Lohr dementsprechend inhaltlich vollkommen unvorbereitet, kannte keine der angesprochenen Problemlagen und hatte keine vorbereitete Frage, die man sich von der Stadtverwaltung her hätte ansehen wollen. Dafür gab es reichlich Belehrungen der anwesenden Bürger*innen durch Stadtverwaltungsmitarbeiter*innen, dass es hier ja gar keine Probleme gäbe. Zum Beispiel, weil ja jetzt, zur besten Feierabendverkehrszeit, gerade keine Autos vorbeiführen.
Und nun also klinkt sich unser Lokaljournalist Herr Götzen ein, wiederholt unkritisch die Aussagen eben jener Verwaltung und bezichtigt ein „Ehepaar aus der Bärengasse“ unsäglichen Verhaltens? Jedes Ehepaar in der Bärengasse dürfte sich heute morgen die Frage gestellt haben, ob das auf sie zurückfallen wird.
Wenn ich an Frau Lohrs Stelle wäre, wäre ich der Anwalt der Bürger*innen.
Wer sagen kann, was sein Ziel ist und was ihm wichtig ist, muss deshalb noch nicht wissen, wie er dahin kommt. So auch in der Demokratie. In einer demokratisch verfassten Stadt ist es Sache der Bürger*innen, die Richtlinienkompetenz zu besitzen und es ist Sache der Stadtverwaltung, mit ihrer Fachkompetenz die Ziele und Richtlinien der Bürger*innen zu verwirklichen. Eine Bürgermeisterin ist eine politische Beamtin, die Bürger*innen sich wählen und von der sie sich auch durch Wahl trennen können. Eine Bürgermeisterin hat deshalb ein Interesse daran, nahbar und dialogorientiert zu sein, weil sie als Anwältin der Bürger*innen darauf aus ist, das Machbare zu erreichen – im Sinne der Richtlinien der Bürger*innen, mit Hilfe des ihr anvertrauten städtischen Personals und gestaltgebender Auslegung der Spielräume, die die Verwaltungsvorschriften eröffnen.
Eine Bürgermeisterin ist also auf gar keinen Fall die Anwältin der Verwaltung. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, die Interessen der Verwaltung gegenüber den Bürgern*innen zu vertreten. Sie ist Chefin der Verwaltung, nicht deren Funktionärin.
Hat Frau Lohr das politische Mandat, um ihr Nicht-Handeln zu rechtfertigen? Wir haben in den letzten Monaten und Jahren sehr viel von Bürgerbeteiligung gehört. Was bedeutet das eigentlich? Die Richtlinienkompetenz der Bürger*innen kommt nicht alleine in der Ernennung politischer Beamt*innen und in Ratsbeschlüssen zum Ausdruck. Wenn man, wie auch Frau Lohr, der Wichtigkeit der Beteiligung von Bürger*innen das Wort redet, dann halten sich politische Beamt*innen und der Rat auch für die Expertise in der Bevölkerung offen, um diese Expertise effektiv in die Arbeit einfließen zu lassen. Klassisch geschieht dies durch die politischen Parteien. Aber auch Beiräte und Bürgerräte sind hierfür probate Mittel. Wenn dann aber sogar Ratsmitglieder öffentlich ein Vollzugsdefizit der Stadtverwaltung beklagen, entsteht zudem der Eindruck, dass nicht einmal Ratsbeschlüsse effektiv auf das Verwaltungshandeln wirken.
In der Bevölkerung der Stadt Worms gibt es reichlich Expertise zu unterschiedlichsten Themen und ich denke, ich spreche hier vielen Engagierten in Worms aus der Seele, wenn ich bemerke, dass Stand heute in wichtigen Teilen der Verwaltung zu wenig oder keine Bereitschaft besteht, diese Expertise tatsächlich im konkreten Handeln berücksichtigen zu wollen. Die Geringschätzung der Expertise der Bürger*innen und die Anmaßung einer Richtlinienkompetenz durch Teile der Stadtverwaltung, die eigentlich im Auftrag der Bürger*innen ihre Fachkompetenz nutzen sollen, ist meines Erachtens des Pudels Kern der desolaten Situation unserer Demokratie.
Deshalb: Wenn ich den Brief von Stephanie Lohr an die Eheleute in Händen halte, die sich mit ihren Freunden bei Facebook unterhalten und ihre freie Meinung geäußert haben, weil sie unzufrieden sind, stimme ich Dr. Klaus Karlin voll und ganz zu, dass wir das Einigende tun müssen. Ein Brief wie der von Lohr, der ist es, was spaltet.
Sollten wir Bürger*innen um eine Anwältin verlegen sein, mit dem ihr von uns anvertrauten Personal im Sinne unserer Ziele und Richtlinien zu arbeiten, müssen wir uns zweierlei überlegen. Erstens denke ich nicht, dass Frau Lohr zurücktreten möchte, um jemandem Platz zu machen, der ein besserer Anwalt oder eine bessere Anwältin der Bürger sein will. Wir müssen uns also überlegen, wie wir ihr als Chefin ihres Dezernats helfen können, sich in ihrer Rolle als Anwältin aller Bürger*innen zu finden und mit Kritik integrativ umzugehen.
Zweitens müssen wir uns fragen, was eigentlich in der Sache zu tun ist, statt uns mit Animositäten zu befassen.
Als Bürgermeisterin würde ich den Bürger*innen eine Liste der aus meiner Sicht kurzfristig und mittelfristig lösbaren Probleme und Aufgaben vorlegen. Das lässt sich an der Verkehrsberuhigung in der Altstadt gut exzerzieren.
Ich würde mich bemühen, die Anforderungen der Bürger*innen als Richtlinie zu formulieren und in Zielvorgaben für meine Verwaltungsmitarbeiter*innen zu übersetzen, verbunden mit machbaren Zeit- und Leistungszielen, die auch für die die Entwicklungen mitverfolgenden Bürger*innen stets transparent sein sollten. Dies auch, um den Fortgang, mögliche Schwierigkeiten und auch kleine und große Erfolge gemeinsam erlebbar zu machen.
Wie wir übrigens bei unserem „Spaziergang“ mit Frau Lohr und ihrem Tross im November aus erster Hand erfahren haben, könnte man bei der Durchsetzung der geltenden Ordnung mehr erreichen, wenn man für einen wertschätzenden Umgang mit den Ordnungskräften Sorge trägt und ungenutzte Potentiale bei der Dienstplanung aktiviert. Die Menschen, die als Ordnungskräfte arbeiten, rechnen vor, dass man locker mehr Personal bezahlen könnte, wenn man mal anfinge, die Randzeiten abzudecken, in denen sich das von den Bürger*innen beklagte Wildparken zuträgt. Regional vergleichbare Tarife sowie Zulagen für Wochenenddienste und bei gefährlichen Aufträgen könnten helfen.
Bezüglich der Rheinstraße liegen die Dinge allein schon durch die einschlägigen Regularien auf der Hand: Zunächst müsste der bereits beschilderte verkehrsberuhigte Bereich auch tatsächlich regelkonform hergestellt werden, dass heißt ohne geradlinige Verkehrsführung. Durch Schaffung von Grünflächen und Sitzgelegenheiten, die in die Rheinstraße hineinragen, würde die Aufenthaltsqualität dramatisch verbessert, der Verkehr gebremst. Weitere Bäume trügen das ihre zur Kühlung im Sommer bei. Ein ziemlich banaler Schritt wäre zum Beispiel, die beiden vor Jahren entfernten Bäume zu ersetzen, wo jetzt nur leere Baumscheiben von parkenden Autos überdeckt werden.
Die Bewirtschaftung von Parkräumen würde ich im erreichbaren Umkreis der Parkhäuser vollständig zugunsten der Anwohnerparkplätze aufgeben, die Zonierung der Anwohnerparkausweise verkleinern und reine Anwohnerparkausweise vergeben, um die Verfügbarkeit von Parkplätzen für Anwohner zu klären und zu verbessern. Die Zu- und Abfahrten zur Rheinstraße würden verkleinert, ebenso die Abbiegeradien, sodass die Abbiegeschwindigkeiten signifikant gesenkt würden. Nicht nur, aber auch dort, wo man von der Römerstraße und der Karolingerstraße in die Rheinstraße gelangt.
Eine Durchfahrt zum Rheintorplatz würde ich baulich durch einen von Feuerwehr und Krankenwagen umlegbaren Poller unterbinden. Baulich entstünde eine Sackgasse, die die Aufenthaltsqualität vor den Lokalen und insbesondere für die dort im Bereich der Haspelgasse im Sommer spielenden Kinder dramatisch verbesserte.
Von den Rettungsdiensten und der Müllabfuhr umlegbare Poller beendeten auch die freie Durchfahrt von der Bauhofgasse in die Mähgasse, die Einfahrt in die untere Judengasse und die Durchfahrt von der Bärengasse in die Nordanlage. Sobald das dafür notwendige Geld verfügbar würde – bspw. im Zuge der städtebaulichen Ertüchtigung, würde ich die Bürgersteige absenken und die Friesenspitze als Platz für die Anwohner aufwerten.
Die Altstadt würde zu einem Ort mit hoher Aufenthaltsqualität für alle Menschen, wie wir sie vergangenen Sommer am 30.09.2023 anlässlich des Altstadtfests bereits erlebt haben.
Und jetzt?
Alle diese Vorschläge sind bereits allen handelnden Personen in den Bereichen 3 und 6 zur Kenntnis gebracht worden. Nicht von mir. Sondern von Bürger*innen mit Expertise. Es wird Zeit. Gespannt blicken wir auf den Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung des Innenstadtausschuss am 23.01. Dann nämlich möchte die SPD-Fraktion wissen, was aus ihrem Prüfantrag zum „Verbot der Durchfahrt für den motorisierten Individualverkehr (mit Ausnahme der Anlieger)“ in der Altstadt vom 19. September 2022 geworden ist. Einem Antrag also, der vor 14 Monaten eingereicht worden ist. Also noch bevor Bürger in gleicher Sache am 18. April 2023 im Rathaus gewesen sind. Über das Ergebnis des heutigen Abends will ich jetzt nicht spekulieren. Lassen wir uns einfach überraschen.
Der gesamte Vorgang ist ein Lehrstück für alle, die in näherer Zukunft den Kopf aus der Deckung nehmen wollen, um sich an unserer Demokratie zu beteiligen. Ich denke, wir müssen keine Angst haben unsere Meinung zu sagen, auch, wenn sie nicht in das Weltbild anderer passt. Demokratie bedeutet nicht, stets nur kollaborativ im Rahmen begrenzter Spielräume irgendwann einmal beschlossener Regeln kollaborativ zu handeln. Demokratie bedeutet auch, Kritik üben zu dürfen und Kritik üben zu müssen, sowohl in der Sache, als auch an den Regeln, als auch am Denken und Handeln von Personen, insbesondere, wenn es sich um Amtsträger*innen handelt. Demokrat ist, wer sich mit dem Weltbild des anderen auf Augenhöhe auseinandersetzt und die Bereitschaft entwickelt, das berechtigte Anliegen des Gegenübers im Kompromiss annehmen zu wollen. Das beinhaltet auch, die gemeinsame Ordnung gestalten zu wollen und zu dürfen.
Wenn wir in Zukunft aber immer aus noch so nichtigen Gründen persönliche Unterlassungsaufforderungen per Brief von der Bürgermeisterin erhalten, sobald wir laut über das Verwaltungshandeln und uns kritikwürdig erscheinende Beweggründe nachdenken, stehen uns erbärmliche Zeiten bevor.
Ich glaube, der Vorgang verdeutlicht auch, womit es bereits die Leute der Bürgerinitiative Altstadt Worms 2011 zu tun gehabt haben dürften, in deren Sitzungsprotokollen Probleme aufgezeigt worden sind, die heute, 13 Jahre später, noch frisch wirken wie am ersten Tag. Mitglieder dieser Bürgerinitiative sind damals übrigens von der Stadtverwaltung mit Strafanzeigen überzogen worden, sind dann letztinstanzlich von allen Anschuldigungen freigesprochen worden, haben aber dennoch privat Schaden genommen. Das wirkt nach, sogar städtebaulich. Politik, da hält man sich besser raus, ist hier eine nicht unübliche Meinung von Leuten, die mit „Beteiligung“ Erfahrung gesammelt haben.
Deshalb kandidiere ich am 9. Juni 2024 für den Wormser Stadtrat. Ich glaube, es wird Zeit, wieder zusammen zu finden, Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, Menschen nicht vorzuverurteilen, das Gespräch trotz Antipathien nicht abreißen zu lassen, durch Vorbild zu führen und – vor allem – zum Wohle der Glaubwürdigkeit unserer Demokratie eine tatsächliche Möglichkeit der Selbstbestimmung durch demokratische Beteiligung erlebbar zu machen.
Anmerkung
Diese Flugschrift habe ich am 19.01.2024 verfasst, nachdem meine Nachbarn am 16. oder 17.01.2024 ein Schreiben der Bürgermeisterin Stephanie Lohr (CDU) erhalten hatten, welches wir unzweideutig als Versuch einer Einschüchterung aufgefasst haben. Tags darauf, am 19.01., wurde die Sache ohne unser Zutun in der Wormser Zeitung im Sinne des Rathauses dargestellt, sodass der Eindruck einer vom Rathaus lancierten Kampagne entstanden ist. Die Flugschrift haben wir dann am 23.01.2024 in der Sitzung des Innenstadtausschusses der Stadt Worms und vereinzelt in der Nachbarschaft als gedruckte Kopie verteilt, verbunden mit Kopien des Schreibens der Bürgermeisterin, der von ihr zum Anlass genommenen Facebook-Diskussion im Volltext sowie einem zweiseitigen Aufsatz zum Begriff der „strukturellen Diskriminierung“ und seiner Anwendung auf die Zustände in der Wormser Innenstadt sowie auf das Verhalten der Stadtverwaltung. Die Vertreter der Wormser Grünen im Innenstadtausschuss haben trotz vieler Gespräche und unserer schriftlichen Forderung nach einer Intervention leider nicht die Kraft gefunden, in dieser Sache Partei zu ergreifen.
Während der Innenstadtausschusssitzung nahm der Verkehrsdezernent dann erwartungsgemäß in der Sache Stellung, was im Protokoll im Ratsinformationssystem unter https://worms.gremien.info nachgelesen werden kann. Der Verkehrsdezernent führte zunächst aus, dass es in dem zur Diskussion stehenden Bereich seines Erachtens keinen nennenswerten PKW-Verkehr gäbe. Einige Minuten später lehnte er die von der SPD-Fraktion beantragte Sperrung der Durchfahrt im bewußten Bereich mit dem Argument ab, die dadurch sich ergebende Veränderung der Verkehrsflüsse zu Lasten anderer Straßen sei den dortigen Anwohnern nicht zuzumuten.
Die Wormser Presse, sowohl die Wormser Zeitung, als auch das WO-Magazin, sind auf den Inhalt dieser Flugschrift nicht weiter eingegangen. Wir hatten die Flugschrift jedoch auch bei Facebook publik gemacht und haben dafür von vielen Seiten viel positive Rückmeldung erhalten. Vor allem auch aus Orteilen, die ähnliches erlebt haben.
Im Stadtzentrum der Stadt Worms haben sich am 09.06.2024 34% der 5899 Wahlberechtigten an der Kommunalwahl beteiligt. Die AfD hat dabei 28% der Stimmen erhalten.
Ich bin nicht überrascht.