Bolker, Joan: Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day. A Guide for Starting, Revising, and Finishing Your Doctoral Thesis. New York 1998

[Exzerptnotizen] Im Folgenden fasse ich in Auszügen Joan Bolkers Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day zusammen. Auf das Buch bin ich durch eine Bekannte aufmerksam gemacht worden, die an der Universität Lüneburg promoviert. Mein Interessenschwerpunkt lag bei der Lektüre auf Fragen, wie man am besten anfängt und wie man zu einem ersten Entwurf gelangt. Bolkers Buch ist eine lesenswerte und ermutigende Einführung, wenn es um selbstständiges Schreiben geht. Unberücksichtigt bleiben natürlich konkrete Hinweise, welche Anforderungen das deutsche Wissenschaftssystem an das Exposé stellt und wie man in Deutschland den Weg zu einer externen Promotion beschreitet. Darin besteht aber auch der Vorteil ihres Buchs. Im Duktus des sachsonischen Wissenschaftsstils widmet sich Bolker ganz ohne Verklemmtheit Problemen des Schreibens und Problemen der Interaktion mit ersten Lesern, mit Betreuern und Gutachtern. Diesen Text hatte ich zum ersten Mal unter derdieckmann.de veröffentlicht am 2008-07-13

Schreiben führt zum Nachdenken

Einführend plädiert Bolker dafür, Schreiben als Weg zum Denken zu sehen, statt Denken als Voraussetzung des Schreibens zu überhöhen. Erst die erste Niederschrift enhüllt Lücken der eigenen Argumentation und wirft Fragen auf. Unter der Überschrift “Beginning“ rät Bolker, sich die eigene Arbeit vorzustellen („imagining“) und den eigenen Arbeitsprozess als solchen zu untersuchen. [Zu dem Punkt „imagining“ sei angemerkt, dass mir einmal in Berlin der China-Experte Prof. Sandschneider auf die Frage, wie ich herausfände, wohin ich mit meinem Studium gelangen wolle, betontermaßen ernsthaft geraten hat, zu träumen und sich von diesen Träumen leiten zu lassen.]

In konsequenter Folge ihres Plädoyers für das Schreiben als Weg zum Denken und Forschen sowie in Konsequenz ihres Rats, zunächst den eigenen Arbeitsprozess zu untersuchen, rät Bolker dazu, ein Forschungstagebuch zu führen. In ihm soll man über die eigene Arbeit, zentrale Ereignisse und Ideen berichten. Wichtig ist hierbei, den inneren Dialog zu dokumentieren. Ein erster Nutzen dieses Verfahrens besteht darin, sich die Identifikation und Beschreibung des eigenen Themas leichter zu machen, da das Forschungstagebuch den inneren Dialog und die hierin wiederkehrenden und sich entwickelnden Fragestellungen offenbart. Bolker konstatiert, dass die Wahl eines Themas, das einen selbst interessiert, den Erfolg wahrscheinlich macht. Das Forschungstagebuch offenbart darüber hinaus bestimmte Arbeitsmuster. Bolker rät dann zur Auswahl und Eingrenzung des Themas, wobei es gilt, sich an den Bedürfnissen und der Struktur des Marktes des betreffenden Themas zu orientieren. Für Bolker geht die Wahl der Methode sowohl aus dem Forschungstagebuch als auch aus der Diskussion mit dem Betreuer der Arbeit hervor. Frei nach Bolker heißt das: „Ongoing writing leads creative thinking in true research“ (vgl. S.16) Hierbei betont sie im Folgenden, dass man selbst Eigentümer der eigenen Dissertation. Sie betont dies, da man als Autor sowohl die Entscheidung hat, worüber man schreibt, was man sagt bzw. schreibt, als auch, wer das Gesagte oder Geschriebene lesen darf.

„You get to decide what you’re going to say, how you’re going to say it, whom you’re going to allow to read it. Other people own their responses to it, but you own the writing. Your ownership of your dissertation means that you are stuck with it for liefe. […] It’s therefore better if you write about something that’s of deep abiding interest to you, in a way that meets your own standards of intellectual integrity.” (S.17)

Betreuer und Gutachter

Die Auswahl des Betreuers ist Bolker zufolge ebenso wichtig wie die Themenwahl. Auch deshalb, weil die eigene Arbeit und die eigene akademische Karriere durch die Wahl des Betreuers mit einem bestimmten akademischen Stammbaum in Verbindung gebracht werden wird. (siehe 20) Bolker rät, die Reputation, die Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit der Betreuung und die Nähe des Betreffenden zum eigenen Thema gegeneinander abzuwägen (siehe 22). Bei der Auswahl der Gutachter (hier: des Committee) gilt es, Spannungen innerhalb des Committees zu vermeiden. Das bedeutet, dass die Auswahl die politische Situation der einzelnen Institute zueinander zu berücksichtigen. Sowohl den Betreuer als auch die Gutachter müssen anhand derer Publikationen, deren Ruf und durch persönliche Begegnungen auf Konferenzen ausgewählt werden. Für den Umgang mit den Betreuer rät Bolker, klare Regeln zu formulieren. Letztlich ist die Auswahl des Betreuers eine Frage, welcher Betreuer einem bei dem eigenen Projekt am hilfreichsten ist. (30)

Mit dem Schreiben beginnen

„First you make a mess, then you clean it up“

Entsprechend ihrem einleitenden Plädoyer für das Schreiben als Mittel, nachzudenken, gilt es, mit dem Schreiben ohne Rücksicht auf Struktur oder Rechtschreibung zu beginnen (vgl. meine Überlegungen zur Überwindung der Traum-Text-Schwelle). Bolker rät hierbei, spontane Fragen und Gedanken, die im Verlauf des Schreibens aufkommen, sofort in Klammern im fließenden Text oder als Randnotizen festzuhalten und so eine Art Dialog mit sich selbst am laufen zu halten. (siehe 35) Um das Schreiben zu verstetigen, rät Bolker, sich Verhaltensmuster zurecht zu legen. So rät sie etwa, sich erreichbare Etappenziele in Form von geschriebenen Seitenzahlzielen zu setzen und sich bei Erreichen des jeweiligen Zieles zu belohnen – mit einem Spaziergang, einem Eis oder Ähnlichem. Dies würdige auch schnelles Schreiben (siehe 45). Auch der Titel Ihres Buches zielt darauf ab, das Schreiben zu verstetigen und zu einem Verhaltensmuster zu entwickeln. Denn entscheidend ist, jeden Tag zu schreiben. Es läuft darauf hinaus, so Bolker, eine Schreibsucht im positiven Sinne zu entwickeln – und vergleicht dies mit dem Mechanismus der Sucht, wie sie bspw. vom Jogging bekannt ist. Ähnlich wie ein Runner’s High existiere auch so etwas wie ein Writer’s High. Und ähnlich wie beim Jogging ist es auch beim Schreiben: Es gilt, ohne Rücksicht auf Form, Qualität, Struktur oder dergleichen loszulaufen bzw. loszuschreiben. Bolker rät, mit einem Selbstgespräch zu beginnen, in dem man auf das zuvor Gedachte und Niedergeschriebene zurückblickt und dann das vorausliegende plant. Dabei muss alles niedergeschrieben werden, auch das, was zunächst oder tatsächlich Müll ist (siehe S.46). Erst mit der Zeit führt dann das tägliche Schreiben zu den eigenen Gedanken, zu klaren Gefühlen und klaren Themenvorstellungen. (siehe S.43) Bolker schließt ihr Kapitel „Getting Started Writing“ mit zwei Ratschlägen:

„Don’t waste words. Whenever you have an idea, a strategy, even a glimmer of an idea, write it down. Don’t figure you’ll remember it. Don’t talk about it with someone before you’ve written it down. Have a place to put it – a notebook, a pocket computer, an index card you carry with you […]; develop the habit of always writing down those bright ideas that come to you while you’re on the run.” (S.47)

Zweitens rät Bolker, den Rat “Write first” wörtlich zu nehmen:

“Write before you do anything else in your day.” (47)

“From Zero to First Draft”

Bolker rät, dem “ersten Entwurf” einen Nullentwurf voranzustellen. Dabei handelt es sich um nichts weiter, als um eine Zusammenstellung allen bis dahin geschriebenen Materials. Dies ist nichts weiter als eine „rich soup“, die es aber immerhin ermöglicht, das Chaos zu ordnen und auf diese Weise einen ersten Entwurf, also eine erste Ordnung allen gesammelten Materials herzustellen. Die Niederschrift des ersten Entwurfs geschieht dann entlang der Fragen, die man entlang des Nullentwurfs aufgeworfen hat.

„Your first draft is a piece of writing from which you can extract some sort of coherent outline. It begins to answer a question, or questions, and proves that you have made some progress toward defining it, or them. It may have the wrong shape, but it has a shape you can work on.” (S.51)

Zur Niederschrift des ersten Entwurfs empfiehlt Bolker folgende Strategien (vgl. S.52):

  • Beginne neue Textabschnitte mit interessanten oder provokativen Sätzen des Nullentwurfs
  • Frage Dich selbst, was von dem, was Du bislang geschrieben hast, am meisten hervorsticht.
  • Suche nach den einzelnen Argumenten und stelle jedes einzelne heraus
  • Stelle die Aussage(n) heraus, die im Nullentwurf von zentraler Bedeutung sind
  • Untersuche, ob Deine Behauptungen wahr sind
  • Frage Dich, ob Du noch immer mit dem ursprünglich Geschriebenen übereinstimmst.
  • Schreibe kurze Texte, die jeweils kurz erläutern, was Du in dem jeweiligen Argument oder Kapitel tatsächlich sagen möchtest.

Für Bolker ist die Bedingung eines ersten Entwurfs die Fähigkeit, die Freiheit und Neugierde zu entwickeln, Fragen zu stellen.

Weitere Ratschläge

Da ich mich in noch einem frühen Stadium meines Forschungsprojekts befinde, verliert sich mein Interesse bei der Lektüre Bolkers Ratschläge in Kapitel 7. In Kapitel 5 geht Bolker auf Probleme und Lösungen im eigentlichen Schreibprozess ein. In Kapitel 6 fokussiert Sie auf Unterbrechungen, in Kapitel 7 auf Kollegen, Unterstützer und Leser. Kapitel 8 widmet sich der wiederholten Durchsicht bzw. dem Prozess einer solchen Durchsicht mit dem Ziel, die Arbeit klarer, verständlicher und lesbarer zu machen. Kapitel 9 und 10 befassen sich dann mit den Schwierigkeiten, die Dissertation zu einem Ende zu bringen sowie mit den Aufgaben, die auf die Dissertation folgen.

In Kapitel 5 rät Bolker, Leben und Arbeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, der Dissertation jedoch in jedem Fall erste Priorität einzuräumen. Sich selbst gerecht zu werden hilft dabei, durchzuhalten. Unter Umständen erfordert es die Promotion auch, sich für eine gewisse Zeit von anderen Aufgaben zurückzuziehen. (siehe 66f) Bolker rät hier auch davon ab den Versuch zu unternehmen, alles zu lesen. Auch zu viel zu lesen ist eine Form von Prokrastination, um nicht selbst denken zu müssen. Denn es ist nicht notwendig, alles gelesen zu haben, um eigene Gedanken zu entwickeln. Bolker rät auch, das Penelope-Syndrom zu vermeiden, d.h. des Nachts zu vernichten, was man tagsüber geschafft hat.

„Even if you think what you’ve written is garbage, don’t erase or throw anything out.“ (S.72)

Daneben gilt es auch, sich keiner Illusion hinzugeben, wie lang eine Dissertation sein muss. Die maximale Länge entspricht dem Minimum, das von den Gutachtern akzeptiert wird. Hierbei gilt auch, dass, was an Material und Ideen nicht in die Dissertation einfließt, für weitere Bücher und Aufsätze bleibt. Den Umgang mit Deadlines erlernt man am ehesten, wenn man sie sich selbst zu eigen macht und als Hilfe für die Strukturierung der eigenen Arbeit betrachtet. Bolker erinnert an die Tatsache, dass wir der Eigentümer unserer eigenen Dissertation sind und somit auch entsprechend Verantwortung gegenüber uns selbst und gegenüber der Arbeit übernehmen. Sie rät ferner zu großzügigen Deadlines, die wir real erreichen können und dazu, dass Erreichen einer Deadline gebührend zu belohnen d.h. zu feiern. Deadlines können dabei in Form Seitenzahlzielen entworfen werden, wobei das Erreichen einer bestimmten Anzahl an Seiten Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit schafft. Das Setzen erreichbarer Ziele bedeutet hierbei, Einheiten zu definieren, die klein genug sind, um uns keine Angst einzujagen. Im übrigen gilt:

„Don’t waste time crying over lost opportunities, take advantage of new ones“ (S.75)

Einige letzte Notizen: In Kapitel 7 betont Bolker, dass man sich seine Leser mit Vorsicht aussuchen sollte – vor allem, weil erste Leser eine hohe Verantwortung haben, indem sie einerseits brauchbare Kritik liefern sollen, aber andererseits nicht die Motivation beschädigen dürfen. An dieser Stelle zitiert Bolker Cynthia Ozick:

„If we had to say what writing is, we would have to define it essentially as an act of courage.“ (S.101)

Ebenda zitiert sie auch Nancy Mairs “Voice Lessons”:

“If the very thought of taking off all your clothes in the middle of the Washington Mall during school holiday makes you blush, you haven’t even begun to dream what it feels like to publish a book.” (S.101f)

Vor- und Nachteile eines Computers beim Schreiben einer Dissertation

Zu allerletzt geht Bolker in ihrem Appendix 1 auf die Vor- und Nachteile eines Computers beim Schreiben einer Dissertation ein. Bolker hält es für leichter, über gedrucktes Material nachzudenken, als über „online text“ (siehe S.154). Daneben sieht sie ein ernsthaftes Problem darin, dass der Apparat zum Spielen verführt: „If you should happen to be prone to wasting time, the computer is your field of dreams. Appendix 2 enthält dann noch “Some Advice for Advisors” [siehe hierzu Mentoring]

Diesen Text hatte ich zum ersten Mal unter derdieckmann.de veröffentlicht am 2008-07-13 15:50:24

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